Die Familie Alfons Franke

Die Geschichte einer 1946 heimatvertriebenen Familie

Nachdem der Frankehof 1930 durch Brand zerstoert war, heirateten meine Eltern am 3. November 1931 und lebten dann in einem Haus mit Tabakwarengeschaeft am Ring 33 in Ottmachau, welches mein Vater 1930 erworben hatte.

Das Brautpaar Alfons Franke und Charlotte Mardus.
Alfons war 29 Jahre alt und Charlotte war 22 Jahre alt.

Dies Bild zeigt Charlotte Mardus Weihnacten 1930 (21 Jahre alt).

Teil der Hochzeitsgesellschaft.
Neben der Braut Charlotte sitzen ihre Grosseltern Reinhold und Agnes Huhnt, neben dem Braeutigam Alfons sitzt Charlottes Mutter, Gertrud Mardus und dann Josef Franke, ein Bruder von Alfons.
Stehend ganz links, Franz Franke, ein Bruder von Alfons.
Stehend zweite Person von rechts, Anna Franke, eine Schwester von Alfons. Stehend vierte Person von rechts, Elisabeth Mardus, Schwester von Charlotte.

Hier ein Bild von der gesamten Hochzeitsgesllschaft.

Alfons Franke, mein Vater, wurde am 21. Maerz 1902 in Woelfelsdorf Kreis Habelschwerdt geboren. Die Vornamen seiner Eltern sind mir nicht bekannt. Er hatte zwei Brueder, Josef und Franz, und drei Schwestern, Anna, Hedwig und Anselma. Josef verunglueckte toedlich mit dem Motorrad Anfang der dreissiger Jahre. Franz lebte nach dem 2. Weltkrieg in Muenchen, Anna in Hainbuecht, Kreis Stadtroda in Thueringen, Hedwig in Heiden bei Lage (Lippe) und Anselma in Dormagen bei Koeln.
Seine Eltern hatten einen Bauernhof in Niederlangenau, der Frankehof, auf dem mein Vater als junger Mensch mitarbeitete. Er plante Lehrer zu werden, aber als sein Vater verstarb, brach er seine gerade begonnene Ausbildung ab, um seiner Mutter mit der Bewirtschaftung des Frankehofes zu helfen. Mein Vater war sehr musikalisch, spielte Klavier, Akkordion and Trompete.

Charlotte Mardus, meine Mutter, wurde am 25. April 1909 in Czulow Kreis Pless geboren. Ihre Eltern waren Erich Mardus und Gertrud Mardus (geb. Huhnt). Ihr Vater war Kaufmann von Beruf.  Meine Mutter hatte eine Schwester, Elisabeth Exner (geb. Mardus),  als Kinder nannten wir sie "Tante Schatzi", weil ihr Mann sie immer Schatzi genannt hatte. Elisabeth Exner lebte nach dem 2. Weltkrieg in Vedhusen und spaeter in Duesseldorf. Mutters Grosseltern waren Reinhold Huhnt und Agnes Huhnt (geb. Heimbach), Agnes Huhnt stammte aus Bleibuir in der Eifel. Der Vater meiner Mutter verstarb bereits am 1. Januar 1913, und so wuchsen die zwei Maedchen ohne Vater auf. Nach ihren vier Grundschuljahren besuchte meine Mutter das Realgymnasium in Osnabrueck bis zur mittleren Reife, danach besuchte sie die Hoehere Handelsschule in Oppeln, Oberschlesien. Bevor ihrer Verheiratung arbeitete sie bis 31. July 1931 in Habelschwerdt im Buero der Eisenwarenhandlung Hugo Taiber.

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Hier noch einmal das Haus in Ottmachau, Ring 33, ganz rechts im Bild, welches mein Vater erworben hatte. Meine Eltern wohnten im 1. Stock und betrieben das Tabakwarengeschaeft, welches sich im Erdgeschoss befand. Mein Vater did den Verkauf und die Beschaffung von den Tabakwaren und meine Mutter fuehrte die Buecher und erledigte alle schriftlichen Korrespondenzen. Zu dieser Zeit wurde auch das Ottmachauer Staubecken gebaut und die vielen Bauarbeiter erwiesen sich als gute Tabakwarenkunden. Das Staubecken wurde 1933 fertiggestellt. Im Laufe der Zeit meldete sich auch Familienzuwachs an, die Geburtsdaten der Kinder liegen in den Jahren 1934 bis 1944.

Helga wurde im April 1934 geboren.
Erika wurde im August 1935 geboren.
Siegfried wurde im September 1939 geboren.
Roland wurde im September 1941 geboren.
Uta wurde im Juli 1944 geboren.

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Meine Mutter mit Helga Weihnachten 1934

Zu einer mir nicht bekannten Zeit plante eine Schwester meines Vaters mit ihrem Mann in Ottmachau ein Eiscafe aufzumachen, hatten aber nicht genug Geld fuer die notwendigen Investitionen. So ueberedeten sie meinen Vater fuer sie zu buergen. Das war eine sehr schlechte Idee, denn das Eiscafe florierte nicht und sie konnten ihre Schulden nicht bezahlen. So hielten sich die Glaeubiger an meinem Vater als Buergen schadlos. Um die Schulden seiner Schwester zu bezahlen, benoetigte mein Vater ein zusaetzliches Einkommen. So verpachteten meine Eltern 1935 das  Tabakwarengeschaeft  fuer 70 RM monatlich and vermieteten die Wohnung im 1. Stock fuer 85 RM monatlich und zogen in die Wohnung im 2. Stock. Die Wohnung im 1. Stock mietete der Paechter des Tabakwarengeschaeftes. Mein Vater nahm  eine Arbeit als Milchkontrolleur an, um den zusaetzlichen finanziellen Belastungen gerecht zu werden.

Im September 1939 brach dann der 2. Weltkrieg aus und alle wehrfaehigen Maenner wurden zum Kriegsdienst eingezogen. So musste auch mein Vater, wie viele andere, die Uniform tragen. 

Mein Vater auf der Schreibstube in Krakau 1940

Mein Vater in Ungarn 1944

Das Leben zuhause musste nun auch ohne die Maenner weitergehen. Mein Vater bekam meistens Heimaturlaub ueber Weihnachten und konnte so ein paar Tage mit seiner sich vergroesseren Familie verbringen. Hier einige Weihnachtsbilder.

Weihnachten 1940, meine Eltern, Helga, Erika und Siegfried.

Weinachten 1940, Helga, Erika und Siegfried.

Weihnachten 1941, meine Eltern, unsere Haushaltshilfe, Helga, Erika, Siegfried und Roland.

Weihnachten 1942, meine Eltern, unsere Haushaltshilfe, Helga, Erika, Siegfried und Roland.

Meine Mutter mit Helga, Erika und Siegfried auf einem Spaziergang ausserhalb von Ottmachau 1942.

Meine Mutter auf demselben Spaziergang 1942.

Die Kriegsjahre dauerten an und Anfang 1945 naeherten sich die feindlichen Truppen der Stadt Ottmachau. Mehr darueber ist unter dem Titel "Heimatstadt Ottmachau" beschrieben. Meine Mutter zog am 2. Februar 1945 mit uns fuenf kleinen Kindern zu ihrer Schwester in Habelschwerdt, Gartenstr. 11. Meine Mutter war zu dem Zeitpunkt 35 Jahre alt und ganz auf sich allein gestellt. Auch in Habelschwerdt zogen spaeter die feindlichen Truppen ein, erst russische Truppen, die dann spaeter durch polnische Truppen ersetzt wurden. Die Polen uebernahmen einfach die Verwaltung des Gebietes. Meine Mutter wurde durch die polnische Behoerde arbeitsverpflichtet und musste in einem polnischen Staatsbetrieb in Habelschwerdt arbeiten. 

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Post von meinem Vater

Dies ist der Umschlag eines Briefes, den mein Vater meiner Mutter in den letzten Tagen vor Kriegsende, am 25. 4. 1945,  schrieb. Die Feldpost Nr. 38282 zeigt, dass er beim T.V.A. (Truppen Verpflegungs Amt) verpflichtet war.

Nachfolgend die vier Seiten des Briefes.

Seite 1
Seite 2
Seite 3
Seite 4

Und hier der Brief lesbar fuer die juengere Generation

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                                     den 25. 4. 45



           Meine geliebte Lotte und Kinder!

Du wirst gewiss schon gewartet haben auf einen
Brief von mir. Hoffentlich hast du meinen Brief
vom 11.4. erhalten. Ich hatte dir doch versprochen in
den naechsten Tagen mehr zu schreiben. Leider kam
ich nicht dazu. Wir waren an diesem Ort nur weni-
ge Tage. Ich war dann wieder mehrere Tage mit den
Pferdegespann unterwegs. Heute will ich dir nicht
grosse Reiseerlebnisse erzaehlen, denn die sind zum groessten
Teil schon wieder in den Schatten gerueckt und von
anderen Ereignissen ueberholt worden. Liebe Lotte, halte
dich fest, was ich dir jetzt schreibe. Meine Zeit beim T. V. A.
ist zu Ende. Wir werden alle abgestellt zur Truppe. Die
schoene Zeit ist also fuer uns aelteren Leute vorbei.
Der groesste Teil ist bereits schon weg, vorlaeufig zum Stab
und von dort soll es nach wenigen Tagen weitergehen, vor-
aussichlich zur Waffenschule. Ich hatte zunaechst noch eine
kleine Galgenfrist, weil ich seinerzeit in Krakau bei
der Durchleuchtung “H. V. Tl.” geschrieben wurde. Man schickte
mich also zur Tauglichkeitsuntersuchung, das habe ich gestern
erledigt. Der Arzt war eigentlich ziemlich genau. Das Ergebnis
war, “bdgt. k.v.” Wie mir aber der Blich sagte,
hat das heute nichts mehr zu sagen und liess mich heute
auch in Marsch setzen. Ich moechte bloss noch wissen, warum
man mich da ueberhaupt erst zurueckgehalten hat und nicht
gleich mit den anderen weggeschickt hat, denn die Untersuchung
hat ja nichts genutzt. Waehrend die anderen mit dem L.K.W. von
hier bis zum Stabe vor die Tuer gefahren wurden, also ihr Gepaeck
garnicht mitzutragen hatten, habe ich den Nachteil, dass ich mit
meinem Gepaeck allerhand zu tippeln habe. Ich sollte heute
mit einem Kurierauto fahren. Diese Stelle, von wo das
Auto wegfaehrt, ist von uns gut 2 km weg. Die Stelle, wo das


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Auto dann nicht mehr weiterfaehrt, bis zum Stab, ist nochmal 4 km
weg. Heute kam ich nicht mehr mit weil das Auto schon voll war.
Also werde ich es morgen wieder versuchen. Man fand es nicht
fuer noetig mich mit dem Gepaeck zum Auto zu bringen, trotzdem
die Pferde nichts zu tun hatten. Man kann wohl auch sagen:
Der Moor hat seine Schuldigkeit getan nun kann er gehen.
Unsere Abloesung sind junge Zivilisten unf Frauen. Wenn
ich wissen werde wo wir hinlommen, gebe ich gleich meine
neue Adresse bekannt. Liebe Lotte, nun etwas anderes. Als ich
mit den Pferden nach hier unterwegs war, traf ich Fluecht-
linge aus fast allen Teilen Schlesiens. Viele waren aus
Neisse, Grottkau u.s.w. Ich habe immer nach Ottmachauern
gesucht, konnte aber zunaechst keinen finden. Seit einigen
Tagen kommen hier durch unsere Stadt Leute aus derselben
Gegend. Heute frueh hoerte ich, dass auch Ottmachauer da sind.
Ich bin gleich hingegangen, da traf ich tatsaechlich einen
ganzen Teil Leute. Du kennst sie ja nicht alle. Unter an-
deren waren dabei die du kennst der Dressel Schuster mit
seiner Familie, Frl. Muecke und die Frau, die immer
zur Frau Ruth kam. Die meisten sind am 2. oder 3. 3.
fort gemacht. Der Dressel Schuster ist einer der letzten gewesen,
die Ottm. verlassen haben. Er erzaehlte, das von der ganzen
Stadt nicht mehr viel steht. Auf der Ringseite von Fabian
soll bloss noch der “Warisse Schwan” ganz sein. Die Eckhaeuser,
Kuschel, Marsi, Heinrich Tischler liegen in Truemmern. Was
nicht durch Bomben zerstoert wurde, soll ausgebrannt sein.
Ob unser Haus noch steht, konnte mir nicht sagen. Eine
Bombe hat das Altersheim in der Mitte getroffen und
zerstoert. Das Krankenhaus ist ausgebrannt. Das Haus wo
der Kinne Gastwirt war ist zerstoert. Ganz geblieben ist bloss
die aeussere Bahnhofsstrasse mit den neuen Haeusern. Von der
Schlossbrauerrei bis zu Peschke ein Truemmerhaufen. Ebenso
die Seite vom Siegert Dr. bis runter zur Bischhofbruecke. Auch
das Zipperhaus, ferner die Haeuser um den Schwarzviehhaendler
Kluger, die ganze Flur- und Bischofstr. Ein Schuthaufen.
Auch die Zuckerfabrik ist ein Raub der Flammen geworden.
Der Teil um den Kunze Baecker ist zerstoert. Bei der evangl.
und kath. Kirche haben die Russen Bomben geworfen. Eine
Bombe ist in der Kirchgasse bei Wachs runtergekommen.
Das Haus von Hollunder Fleischer soll auch gebrannt haben.
Man kann wohl annehmen, dass auch unser Haus wird
stark gelitten haben, wenn es ueberhaupt noch steht.

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Ich kann mir noch garnicht richtig vorstellen, wie unser
einst so schoenes Staedtchen heute aussieht. Beim ersten An-
griff sind 17 Tote und beim 2., 20 Tote gewesen. Wie mir
vor zwei Tagen Leute aus der Grottkauer- und Neissergegend
erzaehlten, sollen die Russen auch in den Doerfern so
gehaust haben. In vielen Doerfern wurde alles zerstoert
und saemtliche Haeuser in Brandt gesteckt. Liebe Lotte, ich
bin froh, dass du nach Haberschwerdt gefahren bist. Hoffentlich
braucht ihr dort nicht fort. Ich habe das Fluechtlingselend hier
wieder gesehen. Besonders die kleinen Kinder haben da-
runter zu leiden und sterben in erschreckender Zahl. Wie
mir von verschiedenen Leuten gesagt wurde, sind alle die
damals in die Grafschaft gefahren sind, noch dort. Ein Olzer
hat seine Frau in Mittelwalde und bekommt innerhalb
4 Tagen Post von ihr, allerdings auf offene Anschrift. Von dir
habe ich den letzten Brief vom 26.2. Liebe Lotte, Ich hatte damals
In der Slowakei Kinderstrickjacken, Hemden, Struempfe, ferner
fuer dich und die Maedel Schluepfer gekauft. Leider konnte ich das
Zeug nicht mehr wegschicken. Ich habe heute alles Frau Dressel
gegeben. Ich kann ja das Zeug nicht mehr weiter rum-
schleppen. Du wirst mir doch deshalb nicht boese sein. Vielleicht
haette ich es spaeter doch weggeworfen und so erfuellt es einen
guten Zweck. Die Harmonika schleppe ich zunaechst noch mit.
Vielleicht habe ich Glueck und komme zu einem Tross, sonst
mueste ich auch diese irgendwann liegen lassen. Wenn ich sie
wirklich einmal nicht mehr mitnehmen kann, dann
wird erst Kleinholz daraus gemacht. Ich habe zwar sehr an
ihr gehangen, das weisst du ja auch, aber wenn ich bedenke,
dass die ganze Wohnung und das Haus weg ist, dann kann
ich mich auch, wenn es eben nicht anders geht, leicht von
der Harmonika trennen. Das einzige ist eben jetzt, das wir
uns alle gesund wiedersehen. Alles andere wird sich dann schon
von selbst finden, Nun liebe Lotte, habe ich dir wohl so ziemlich
alle Neuigkeiten geschrieben. Wenn ich beim Stabe bin, schreibe
ich dir gleich wieder.
Fuer heute recht herzl. Gruesse und Kuesse an die
Kinder, besonders an dich dein dich innigliebender
                                                               Alfons.
Herzl. Gruesse auch an Tante Lisbeth, Tante Schatzi
und Kinder.


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Liebe Lotte, sei mir nicht boese wenn ich erst ganz zum
Schluss an deinen Geburtstag denke. Grade heute, wo ich von
dem Haufen weg sollte, musste ich umso mehr dran
denken. Ich gratuliere dir recht herzl. Und wuensche dir das
denkbar Beste. Hoffentlich sind wir naechstes Jahr zusammen
und koennen diesen Tag so feiern wie wir uns das
wuenschen.
Es kuesst dich nochmals dein
                                 Alfons.

Die Ausweisung

Am 21. Maerz 1946 erhielten wir dann einen Ausweisungsbescheid von der polnischen Behoerde und mussten am naechsten Tag, den 22. Maerz 1946, die Heimat verlassen. In Eisenbahngueterwagen wurden wir alle in den Westen gefahren und erreichten nach langer Fahrt Moorriem bei Grossenmeer. Kurze Zeit spaeter wurde uns dann ein Platz bei dem Bauern Haye in Oldenbrok-Altendorf zugewiesen. Der Bauer war jedoch mit der Aufnahme von Vertriebenen nicht einverstanden und es benoetigte die Polizei, ihn davon zu ueberzeugen, dass er sich der Zuweisung nicht wiedersetzen konnte. So bezogen wir dann zwei Raeume im Bauernhaus, der eine Raum hatte ein Kohleofen zum kochen und heizen und diente als Kueche , Wohnzimmer und Schlafzimmer der Mutter, spaeter den Eltern. Der andere Raum war klein, lang und schmal und war das Schlafzimmer fuer uns Kinder, wo wir auf Strohmatratzen schliefen.

Hier der polnische Ausweisungsbescheid.
Elisabeth Exner ist die Schwester meiner Mutter, Elisabeth Huhnt ist eine Tante meiner Mutter, Irmgard und Doris Exner sind die beiden Toechter von Elisabeth Exner. Die anderen sind meine Mutter und wir Kinder.

So sahen die Eisenbahngueterwagen aus mit denen wir in den Westen transportiert wurden. Das Bild zeigt eine  Eisenbahngueterwagenausstellung vor dem Rathaus in Breslau 2005.

Auf dem Haye Bauernhof

Nach kurzer Kriegsgefangenschaft fuhr mein Vater Ende 1945 nach Hainbuecht, Kreis Stadtroda in Thueringen, Ostdeutschland, welches unter russischer Verwaltung war. Er wusste, dass sich seine Schwester Anna dort aufhielt. Er fand Arbeit in Hainbuecht und beantragte und erhielt sogar einen Ausweis als Berufsmusiker fuer Harmonika und Klavier am 22. November 1946. Im Fruehjahr 1945 wusste mein Vater, dass meine Mutter mit uns Kindern zu dieser Zeit im Haus ihrer Schwester in Habelschwerdt lebte. Es war fuer Deutsche jedoch nicht moeglich, nach der polnischen Besetzung, in das Gebiet Schlesien zu reisen. Zur Zeit unserer Ausweisung war es auch sehr schwierig, fuer heimkehrende Soldaten, Informationen ueber die in den Westen vertriebenen Angehoerigen herauszufinden, er wusste nicht, wo seine Frau mit den Kindern abgeblieben war. Ende 1946  erhielt er dann endlich die Nachricht ueber unseren Verbleib und kurz danach war unsere Familie wieder zusammen.

In der ersten Zeit war das Leben auf dem Haye Bauernhof nicht einfach. Oft hatten wir nicht genug zum essen und mussten hungrig schlafen gehen.  Jeder in unserer Familie weiss, was die Woerter "Spucksuppe" und "Schiebewurst" bedeuten. Als wir einmal wieder nichts zu essen hatten, nahm mein Vater ungeschaelten Hafer aus der Pferdefutterkiste und meine Mutter kochte den Hafer mit Salz als Suppe. Die Haferschalen konnte man natuerlich nicht essen und wurden einfach ausgespuckt. Daher der Name "Spucksuppe". Beim Essen hatte jeder ein kleines Haeufchen von ausgespuckten Haferschalen neben dem Teller.
Ein anders Mal gab es nur eine Scheibe Brot mit nur einer kleinen Scheibe Wurst zum Abendessen. Um solange wie moeglich etwas von der Wurstscheibe zu haben, wurde die Wurstscheibe auf der Brotscheibe vor jedem Biss  weiter geschoben, bis zum Schluss. Daher der Name "Schiebewurst".
Die Bauersfrau, Frau Haye, steckte uns Kindern oft ein Butterbrot zu, bemerkte aber jedesmal, es nicht dem Bauern zu sagen.

Spaeter wurde es dann etwas besser. Mein Vater fand manchmal Gelegenheitsarbeit. Er war musikalisch sehr talentiert, spielte Klavier, Akkordion und Trompete. Er war als gezogener Soldat Mitglied einer Militaerkapelle. Nicht lange nach seiner Rueckkehr aus dem Krieg fand er Leute, die ein altes Klavier hatten, es aber nicht mehr wollten. So hatten wir bald ein Klavier im grossen Zimmer. Er fand gleichgesinnte Musiker und sie gruendeten eine Musikkapelle und spielten an Wochenden auf Tanzboeden in der Gegend gegen Bezahlung. Er wollte auch, dass seine Jungen das Klavier spielen erlernten, gab jedoch auf, als sich herausstellte, dass seine Soehne kein Interesse daran hatten. Wir Kinder waren mehr daran interessiert, draussen den Bauernhof und die Gegend zu erkunden.
Die schulpflichtigen Kinder besuchten die Volksschule in Oldenbrok-Altendorf und nach Abschluss der Volksschule fanden Helga und Erika bezahlte Beschaeftigung in der Gegend. Meine Mutter fand am 15. Maerz 1949 Arbeit bei einem Zigarettenpapierbetrieb in Oldenbrok-Mittelort bis Ende des Jahres 1949.

Der Haye Bauernhof 2002. Das grosse Gebaeude und die davor stehenden Schuppen existierten 1945 und in den  Jahren danach noch nicht.

Die Franke Familie 1948 auf einer Geburtstagfeier vor dem Haus, in dem die Schwester meiner Mutter mit ihren Toechtern untergekommen war. Die Kinder von links nach rechts: Erika, Roland, Uta, Siegfried, Helga.

In Vedhusen

1950 baute die Gemeinde Oldenbrok in Oldenbrok-Mittelort acht Haeuser in einer Reihe mit je zwei Wohnungen auf ehemaligem Ackerland zur Vermietung an Vertriebenenfamilien. Die neue Siedling bekam den Namen Vedhusen. Meine Eltern bewarben sich fuer eine dieser Wohnungen und erhielten am 18. November 1950 einen Mietvertrag fuer eine Wohnung im 1. Stock des achten Hauses. Die Miete betrug 25 DM pro Monat und beinhaltete einen grossen Garten hinter dem Haus und einen Teil des Kellers. 1951 zogen wir dann vom  Bauernhof Haye in Altendorf in das neue Haus in Vedhusen ein. Ich kann mich noch gut daran erinnern wie das schwere Klavier in die neue Wohnung am 1. Stock geschafft wurde. Das Klavier wurde soweit wie moeglich in seine Einzelteile zerlegt, selbst all Tasten wurden entfernt, und der restliche schwere Teil wurde von vier starken Maennern die Treppe hoch geastet. Das obere Treppengelaende musste entfernt werden, um das Klavier durch die Wohnkuechentuer transportieren zu koennen. Die Wohnung hatte drei Zimmer, eine Wohnkueche mit einem Kohleofen zum kochen und heizen und zwei Schafzimmer, sowie ein Abstellraum unter dem schraegen Dach. Die Schlafzimmer waren ungeheizt und im kalten Winter, mit grossen Eisblumen am Fenster, zitterten wir uns unter den Bettkissen vor dem Einschlafen warm. Neben der Wohnung im Erdeschoss gab es unten noch eine Waeschkueche mit einem heizbaren Waschbottich, die Toilette (Plumps-AB) und ein Schweinestall. Ein Teil des Kellers war als Zisterne zum sammeln von Regenwasser gebaut.
In der Mitte der acht Haeuser war eine Grundwasserpumpe installiert. Von dort trugen wir das Wasser in Eimern zum Haus, welches anschliessend zur Reinigung durch ein Tropffass lief, und dann zum trinken und kochen verwendet werden konnte. Das Wasser direkt aus der Pumpe hatte immer eine duenne obere Oelschicht, Jahre spaeter wurde in der Gegend dann nach Erdoel gebohrt und auch gefunden und gefoerdert.
Ein grosse Verbesserung kam dann, als  Jahre spaeter eine Wasserleitung in Vedhusen verlegt wurde und die Haeuser an fliessendes Wasser angeschlossen wurden.

Das Haus 1951 in Vedhusen kurz nach unserem Einzug in die Wohnung am 1. Stock. Das offene Fenster gehoert zu einem der ungeheizten Schlafzimmer.

Die Reihe der acht Haeuser in Vedhusen Weihnachten 1954. Im Vordergrund das von uns im 1. Stock bewohnte Haus, unter der Dachgaube das Kuechenfenster. Roland hatte gerade ein Fahrrad zu Weihnachten bekommen und probiert es auf dem Wendeplatz aus.

Der Hauseingang des Hauses in Vedhusen.

Unser persoenliches Verkehrsmittel war das Fahrrad. Zum Einkaufen, zur Arbeit, zur Schule etc. Weite Strecken wurden manchmal mit dem Bus zurueckgelegt.

Mein Vater war jahrelang arbeitslos, er konnte keine, seinen Kenntnissen entsprechende, Arbeit finden. Er spielte jedoch an Wochenenden Klavier oder Akkordion auf Tanzveranstaltungen zusammen mit seinen Freunden, um etwas Geld zu verdienen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie er mit dem Fahrrad, das Akkordion hinten auf dem Gepaecktraeger verschnuert, zu einer dieser Tanzveranstaltungen abfuhr. Auch uebernahm er fuer eine zeitlang die Auslieferung von Lesemappen eines Oldenburger Lesemappenaustauschdienstes fuer dessen Kunden in unserer Gegend, die Lieferungen erfolgten natuerlich auch wieder mit dem Fahrrad. Spaeter draengte ihn das Arbeitsamt, auf einen anderen Beruf umzuschulen. Eine Schiffswerft in Elsfleht bot eine Ausbildung zum Elektro-Schweisser an. Mein Vater besuchte erst einen Lehrgang des Deutschen Gewerkschaftsbundes, "Einfuehrung ins Elektro-Schweissen", von 15. Oktober bis 16. November 1956 und began danach eine Ausbildung zum Elektro-Schweisser bei der Elsflehter Werft AG. Diese Ausbildung kostete 250 DM, das waren 10 Monatsmieten zu der Zeit. Die Elsflether Werft gab meinen Vater das Geld als Darlehen mit der Klausel, das Darlehen zu erlassen, fuer den Fall, dass mein Vater die Pruefung als angelernter Schweisser betand und ein Jahr als Schweisser in der Werft arbeitete. Nach der Ausbildung arbeitete er auf der Werft als Schweisser fuer etliche Jahre, obwohl er diese Taetigkeit ueberhaupt nicht mochte, besonders das Ueberkopfschweissen fand er aeusserst widrig.

Meine Mutter began am 15. Maerz 1951 wieder fuer den Zigarettenpapierbetrieb Alfred Bliemel in Oldenbrok-Mittelort zu arbeiten, sie bediente dort eine der Zigarettenpapierschneidemaschinen. Sie arbeitete dort bis 11. Juni 1955, denn zu diesem Zeitpunkt zog die Firma nach Rastede. Danach fand sie eine Anstellung als Buchhalterin bei der Blitzableiterfirma Hans Thormaehlen in Grossenmeer.

Hinter dem Haus in Vedhusen war ein grosser Gemuesegarten, in dem mein Vater jedes Jahr, neben den Kartoffeln, eine Vielzahl von unterschiedlichem Gemuesesorten und Gewuerzkraeutern anpflanzte. Der Garten versorgte uns mit gutem, gesundem Essen. Mein Vater pflanzte auch Beerenbuesche und Obstbaeume am Rande des Gartens. Im Fruehjahr musste der Garten immer umgegraben werden, das war harte Arbeit in dem schweren Kleiboden. Meine Mutter pflanzte die Blumen in Vorgarten und kochte Gemuese und Obst waehrend der Erntezeit fuer den Winter ein. Auch hatten wir Kaninchen zum schlachten.

In 1957 war mein Vater endlich in der Lage ein motorisiertes Fahrzeug zu erwerben, und so kaufte er am 21. July 1957 fuer 350 DM ein gebrauchtes Motorrad, Marke NSU Lux, Baujahr 1952, mit 21000 km auf dem Kilometerzaehler, Kennzeichen BRA-K309.  Spaeter, ich glaube im Jahre 1962, kauften meine Eltern dann ein gebrauchtes Auto als Transportmittel, Make Ford Taunus 1100.

Die Kinder wuchsen heran und einige Jahre nach dem Einzug in das Haus in Vedhusen, ich glaube Helga und Erika lebten bereits in Koeln, zogen auch Siegfried und Roland in eine andere Gegend. Nur Uta blieb voerst bei den Eltern. Des oefteren kamen die Kinder aber zu Besuch nach Vedhusen, meistens Ostern, im Sommerurlaub und zu Weihnachten. Dann wurde wieder gemeinsan gesungen und alte Geschichten aufgewaermt.

Meine Eltern 1958

Die Franke Kinder 1960 in Vedhusen, von links nach rechts:
Uta, Roland, Siegfried, Erika, Helga

In Loyermoor

Im Oktober 1958 verkaufte die Gemeinde Oldenbrok das Haus in Vedhusen an Herrn Behrens, der mit seiner Familie die Wohnung im Erdgechoss des Hauses bewohnte. Am 6. Oktober 1964 kuendigte er dann das Mietverhaeltnis mit meinen Eltern zum 1. Oktober 1965.

Anfang 1965 fanden meine Eltern brereits eine andere Wohnung in Loyermoor fuer 53.70 DM Monatsmiete, in der Naehe von Grossenmeer, wo meine Mutter bei der Blitzableiterfirma Hans Thormaehlen arbeitete. In April 1965 zogen sie dann in die neue Wohnung ein, die Wohnung lag ebenerdig und hatte eine Falltuer in der Kueche, die in den darunterliegenden Vorratskeller fuehrte.
Schon bevor diesem Umzug hatte mein Vater seine ungeliebte Taetigkeit auf der Werft als Elektro-Schweisser aufgegeben und lieferte wieder Lesemappen fuer die Oldenburger Firma an Kunden aus. Aber diesmal war die Kundenbasis wesentlich groesser und die Firma stellte ihm einen VW Kaefer als Firmenwagen zur Verfuegung.

Mein Vater 1963
61 Jahre alt

Der Firmenwagen der Lesemappenfirma 1965 am Haus in Loyermoor. Hinter dem VW ist der Ford Taunus geparkt.

Am 25. September 1966 verstarb mein Vater dann in Loyermoor. Er war 64 Jahre alt. 
Vor einem der Wohnzimmerfenster in dem Haus in Loyermoor wuchs ein Baum, der mit der Zeit das Tageslicht abschattete. Am Tage seines Todes versuchte mein Vater den Baum mit einer Handsaege zu faellen. Dabei erlitt er einen Herzinfarkt. Meine Mutter fand ihren leblosen Mann im Vorgarten liegend, als sie abends von der Arbeit nach Hause kam. Mein Vater wurde in Loyermoor auf dem Kirchfriedhof beerdigt.
Als talentierter junger Mann, im Alter von 37 Jahren durch den Krieg aus seiner gewohnten Umgebung gerissen und dann aus seiner Heimat vertrieben, hatte er im Westen nie wieder richtig Wurzeln geschlagen. Er hatte die Heimat nie vergessen und hatte immer auf eine Rueckkehr zu seinen geliebten Bergen gehofft.

Einge Jahre nach dem Tod meines Vaters zog meine Mutter dann 1970 in die Stadt nach Oldenburg und arbeitete dort bei dem Steinmetzbetrieb Sohnen, wo sie die Buecher fuehrte und die allgemeine Korrespondenz erledigte. Nachdem sie spaeter in den Ruhestand getreten war, zog sie dann 1976 nach Detmold und verbrachte dort viele Jahre als ruestige Rentnerin. Siegfried lebte in Detmold und fuer einige Zeit lebte auch Helga dort, so war sie nicht alleine dort.
Anfang 1994 stolperte sie auf der Treppe zu ihrer Wohnung, fiel und brach sich die Huefte. Sie wurde operiert und bekam ein kuenstliches Hueftgelenk. Doch die Verletzung war einfach zu viel fuer sie. Sie verlor ihrem Lebenswillen und verstarb am 12. Februar 1994. Sie war 84 Jahre alt. Ihrem Wunsch entsprechend wurde sie krematisiert und auf einem Waldfriedhof in der Naehe von Detmold beerdigt. Auch sie vermisste die Heimat, wie so viele der anderen Vertriebenen, aber sie war in der Lage, mit den neuen Gegebenheiten im Westen besser fertig zu werden. Wohl auch eine Eigenschaft, weil sie, als Halbwaise, waehrend ihrer Schulzeit in einem Internat lebte und als Kind nie ein richtiges zu Hause erfahren hatte.

Und so ended der Bericht ueber die Familie Alfons Franke.
Aber wie erging es den Franke Kindern?

Helga und Erika fanden vorlaeufig Beschaeftigung nach ihren Volksschulabschluss in der Gegend. Meine Eltern wollten jedoch, dass wir alle eine fundierte Berufausbildung erhielten, unseren Talenten entsprechend, die uns ein eintraegliches Auskommen ermoeglichte. In der naeheren Umgebung unseres Wohnortes gab es aber so gut wie keine Moeglichkeit fuer eine gut fundierte Berufsausbildung. Einge Zeit nach ihrem Volksschulabschluss gingen Helga und Erika dann deshalb nach Koeln.

Helga wurde Staatlich Gepruefte Krankenschwester, sie blieb ledig. Ungluecklicherweise entwickelte sie lange Jahre spaeter eine Geisteskrankheit und lebt heute in einem offenen Heim fuer Geisteskranke.

Erika lernte Einzelhandelskauffrau bei Unkelbach am Barbarossa Platz in Koeln. Sie heiratete and hat zwei Kinder, Monika und Rainer. Sie lebt heute als ruestige Rentnerin in Zuelpich in einer eigenen Wohnung bei ihrer Tochter Monika.

Siegfried lernte Kellner in dem Ausflugslokal Silbermuehle im Teutoburger Wald. Er heiratete und hat drei Kinder, Detlev, Martina und Thorsten.  Spaeter wurde er Geschaeftsleiter des Ausflugslokals am Herrmannsdenkmal im Teutoburger Wald. Er lebt heute als ruestiger Rentner in Detmold und betreibt mit seiner Frau eine Imbissstube in Detmold.

Roland lernte Starkstromelektriker bei Siemens in Koeln, studierte Elektrotechnik und wurde Elektro Ingenieur. Er heiratete und hat zwei Kinder, Silke und Sven. Spaeter wanderte er nach Amerika aus. Er besitzt eine Sportpilotenlizenz und lebt heute als ruestiger Rentner auf seinem Frankehof in Ohio, Amerika.

Uta war die Einzigste von uns Kindern, die nach ihrem Schulabschluss vorerst weiter bei den Eltern wohnte. Sie lernte Buerofachkraft und arbeitete als Bueroangestellte. Sie heiratete und hatte zwei Kinder, Ralf und Axel. Traurigerweise verstarb sie 2016 in Eickelborn bei Lippstadt an Komplikationen verbunden mit Brustkrebs. Sie war 72 Jahre alt.

Stand Februar 2022

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